Hallo Forum,
ich habe u.a. den Bahnhof Schwanheide nachgebaut, wo ich 1982 für einige Monate als Fahrdienstleiter tätig war. Hier mal eine kleine Story, die mir immer wieder einfällt und wirklich passiert ist.
Ich hatte um 22:00 mit Nachtdienst begonnen. Die Betriebslage war normal. Es gab keine Verspätungen und es lief alles nach Plan. Gegen 22:30 wurde mir ein Güterzug mit Vorspannlok von Boizenburg vorausgemeldet (Vorausmeldung: das damalige Zugmeldeverfahren der DR im Gegensatz zur DB mit ihrem umständlichen Anbieten und Annehmen, das wir aber von/nach Büchen anwenden mussten). Planmässig verkehrte dieser Güterzug ohne Vorspannlok (Vorspannlok: entweder zusätzliche Verstärkung, wenn die Zuglok die Last allein nicht schafft oder Mitgabe von Lokomotiven zur Vermeidung von Leerfahrten). Meine Frage also, was mit der Vorspannlok geschehen soll - in Schwanheide abhängen oder weiter nach Büchen. In jedem Fall musste ich wissen, welchen Zug diese Maschine befördern sollte. Ich telefonierte mit dem Bahnhof Kuhlenfeld (lag schon weit in der DDR, war aber Grenzabfertigungsbahnhof für Güterzüge, weil die Kapazität in Schwanheide nicht ausreichte), mit der Lokleitung Hagenow Land und dem Lokdispatcher des Reichsbahnamtes Wittenberge. Aber niemand konnte mir konkret sagen, wofür diese Lok vorgesehen war. Also meldete ich die Lok als Vorspann bis Büchen beim Grenzkommandant an. Dann ging die übliche Grenzkontrolle vor sich, die in Schwanheide nicht lange dauerte, weil die ausführliche Kontrolle in Kuhlenfeld stattgefunden hatte. Jedenfalls bekam ich die Freimeldung vom Grenzkommandant, dass der Zug nach Büchen rollen darf. Die Meldung kam in der Regel nicht telefonisch, sondern eine Glocke an meinem Blockwerk ertönte und signalisierte mir, dass die Schotterweichen Richtung Grenze frei bedienbar waren. Ich bot also dem Fahrdienstleiter Büchen den Zug an, der ihn auch annahm. Ich stellte die Fahrstraße ein und dann das Ausfahrsignal F auf Fahrt. Anschließend begab ich mich zum Fenster zur Zugbeobachtung - das hatte nichts mit der Beobachtung der Grenztruppen zu tun, sondern war Vorschrift bei der DR, um auf Unregelmäßigkeiten am Zug zu achten. Aber der Zug fuhr nicht los. Stattdessen kam ein junger Lokführer den Bahnsteig in meine Richtung gerannt, schwenkte die Arme und rief "Ich darf gar nicht nach Büchen, ich soll in Schwanheide abhängen. Außerdem habe ich auch keinen Reisepaß." Na da war was los. Ich habe das Signal sofort auf Halt gestellt und den Grenzkommandant angerufen: "Wie habt Ihr denn kontrolliert. Der Lokführer hat doch gar keinen Reisepaß und darf nicht nach Büchen" Man muss wissen, dass jeder Lokführer für Schwanheide einen Passierschein brauchte, für die Fahrt nach Büchen aber einen Reisepaß. Das wurde durch die Paßkontrolleinheit (der Ableger der Stasi auf Grenzbahnhöfen) auch scharf kontrolliert. Wäre dieser junge Lokführer nun gefahren, dann wären er und die Lok im "Westen" gewesen. Bei den Kontrollorganen gab es grossen Ärger und Disziplinarmaßnahmen wegen Versagen bei der Kontrolle. Bei allen strengen Kontrollen gab es also so eine Geschichte wie diese. Junge Leute können sich das alles gar nicht mehr vorstellen.
Wenn Euch diese wirklich wahre Geschichte gefallen hat, werde ich mal bei Gelegenheit über eine sogenannte "Grenzverletzung" auf dem Bahnhof Schwanheide berichten.
Tschüs
Norbert
Grenzbahnhof Schwanheide http://www.norbert-weise.de/bahnhof-schwanheide