Neigetechnik versus Gleisüberhöhung...

  • Zitat von Basti


    Das heißt, an diesen Stellen ist die Geschwindigkeit aufgrund des "Komforts" begrenzt?
    Würde mich doch sehr interessieren :)


    Sicher, aus Komfort- aber auch Sicherheitsgründen. In irgendwelchen Regelwerken ist die maximale Querbeschleunigung, die auf den Fahrgast in der Kurve einwirken darf, festgeschrieben. Spätesten dann, wenn die Kaffeebecher durch die Gegend fliegen und die Fahrgäste von den Sitzen rutschen ist Schluß. Der Zug selbst würde noch lange nicht entgleisen.

  • Ich versuche nun auch mal das ganze schön zusammenzufassen :winking_face:


    Gleisüberhöhung:


    Die Überhöhung des Gleises in kurven dient einfach wie schon gesagt dazu, die Querbeschleunigung gering zu halten. Somit kann eine kurve schneller befahren werden. Wenn ich eine Kurve mit dem selben Radius OHNE Überhöhung habe, kann ich logischerweise nicht die Geschwindigkeit fahren, die in einer Überhöhten kurve möglich wäre.



    Neigetechnik:


    Die GST (Gleisbogenabhängige Wagenkastensteuerung) dient wirklich rein dem komfort. Neigetechnikfahrzeuge sind speziell konstruiert, so das ich theoretisch auch ohne Neigetechnik mit GNT-Profil in die kurve fahren könnte (GNT -> Geschwindigkeitsüberwachung für NeiTech Züge). Wie auch schon gesagt, ist die Belastung für das Laufwerk eines Zuges mit Wirksamer GST genauso, als ob ich die kurve ohne GST befahren würde.
    Villeicht hats schon einer mal miterlebt: Wenn mitten in der Kurve, die ohne GST mit 130 km/h und mit GST 160 km/h befahren werden kann, die Neigetechnik bei vollen tempo "auf Störung geht" und sich der Wagenkasten geradestellt. Als Fahrgast hat man das gefühl, das die kiste gleich abhebt :winking_face: .


    Bei weiteren fragen zur Neigetechnik steh ich gern Rede und Antwort :)


    Bundesweite Vorschriften zur Gleisüberhöhung und Gleisbögen sind in der EBO (Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung) § 6 nachzulesen.


    Schönen Ostersonntag noch :winking_face:



    EDIT:


    Ach, jetzt hab ichs noch ganz vergessen.


    "Woher weis der Zug, wann er sich wie zu neigen hat?"


    Der Zug hat im unteren bereich verschiedene Sensoren (beim VT 610 sind es zum Beispiel "Kreisel") die ständig die aktuelle Neigung des Fahrzeugs registrieren. In der geraden sind die werte dementsprechend gering, sodass das Fahrzeug auf Deutsch gesagt "nichts macht". Fahre ich aber nun in einen Gleisbogen, so treffen plötzlich mehrere werte aufeinander. Zum einen gleich der wichtigste Wert: Die aktuelle Querneigung des Fahrzeugs. Diese ergibt sich dementsprechend aus der Überhöhung. Mit diesem Wert und der aktuellen Geschwindigkeit errechnet dann der Fahrzeugrechner die nötige Neigung.


    Somit lässt sich auf gut klären, warum der VT 612 sich eher ruckartig neigt, im Vergleich zum VT 610:


    Der VT 610 eine Hydraulische Neigetehnik, das heist das der Wagenkasten mittels Öldruck (bis zu 200 bar) in Querneigung gedrückt wird. Wer sich nun etwas drunter vorstellen kann, wird sich schon denken können, das diese Technik träger reagiert. Das heist also, dass das Fahrzeug "länger" braucht, um sich auf die sich ständig ändernden Werte einzustellen. Dem Fahrgast kommt das nur zugute, denn die GSt funktioniert so nicht ruckartig sondern immer schön gleitend.


    Der VT 612 hat hingegend eine elektrische Neigetechnik, also der Wagenkasten wird mittels elektromotoren in Querneigung gedrückt (Diese Antriebe sind übrigens die Übeltäter für die derzeit noch teilweise ausgeschaltene Neigetechnik. Das BW Hof ist derzeit das einzige, das schon neue Antriebe hat und somit seinen "Franken-Sachsen Express" neigen lassen kann). Wie sicher die meisten schon wissen: Elektromotoren sprechen ziemlich schnell an, sie können schneller auf neue Befehle reagieren und diese dann auch umsetzen. Und genau das ist das Problem: Das Fahrzeug erfassst ja wie gesagt laufend die aktuelle Gleisüberhöhung sowie die exakte gefahrene Geschwindigkeit. Und da sich diese Werte ständig ändern (man denke da nur mal an unebenheiten im Gleis), versucht das Fahrzeug natürlich ständig die kräfte auszugleichen und korrigiert somit die Neigung des Fahrzeugs. Da die Elektromotoren nun aber sehr schnell ansprechen, wird das ganze eher als etwas zuckartig empfunden. Im Sitzen ist es noch angenehm, im stehen jedoch muss man sich schon ordentlich festhalten :winking_face: .


    Ich hoffem ich habe das ganze einigermaßen verständlich rüberbringen können :) . Wie schon gesagt, bei weiteren fragen rund um die GST steh ich gern zur verfügung.

    Einmal editiert, zuletzt von Raphael_Drake ()