Eisens Erlebnisse im Dienst.

  • Ich will mal ein bischen aus dem Nähkästchen plaudern, vielleicht interessiert es ja jemand und er hat Spaß daran, wie der Alltag eines armen Heizers war. Besonders dieser Tag hat mich arg erwischt.
    Also, unsere BR 55 war zum Auswaschen und wir nahmen die Reserve BR 52.
    Sie war schon Nachts um 1,00 vom Schuppenmann angefeuert und war unter Dampf.
    Wir hatten Frühschicht ( Rangierdienst und Bedienungsfahrten )
    Mein "Meister" fuhr sie über die Scheibe in das Ausrüstungsgleis und verschwand in die Lokleitung.
    Jetzt war ich an der Reihe, Bekohlen, Sand und Wasser und Abölen, um dass zu tun , also die Lok bewegen, brauchte ich als Heizer, eine sogenannte " Reglerberechtigung ", die ich natürlich hatte.
    Dann schnappte ich mir meine 4 Ölkannen und ging zum Ölbunker, eine Sch... Schlepperei: Achsenöl, Heißdampf, Naßdampf und Kompressoröl.
    Fertig mit Abölen ging das Putzen los, Aussen das Führerhaus rechts und links mußte glänzen und die roten Teile vom Fahrwerk natürlich auch, innen mußte der Kessel sauber und blank sein. Der Regler wurde mit Sandpapier blank gerieben und es wurden Muster draufgebracht ( Kreise und Kreuze usw. ) Besonders sauber mußte die Stangen ( am Aufstieg ) sein, was ich auch besonders sorgfältig tat.
    Nach 2 Stunden hatte ich die Lok fertig zum Dienstantritt und der Lokführer erschien wieder und begutachtete alles und fing an mit seinem Hämmerchen alles abzuklopfen, Stangen,Radreifen usw.
    Dann erschien unser Rangierleiter und es ging los.
    Dann kam der übliche Rangierdienst, wir hatten 5. Lok und mußten die Wagen für die Bedienungsfahrten zusammenstellen. Wir hatten den Zug für die Fahrt von Roßlau nach Wiesenburg zusammengestellt, der Rangierleiter besorgte noch die Papiere und wir warteten auf Ausfahrt.
    Dann sah ich das Unheil schon von Weitem: Ein Fahrmeister ( ein sehr bekannter ) kam auf uns zugesteuert. Er fing an auf die Lok zu klettern und blieb auf der Hälfte stehen, ich sah von Innen nur den Kopf. Ich ging zu ihm und fragte, ob ich im helfen könnte, aber er sagte: SEHEN SIE DENN NICHT, DASS ICH HIER FESTKLEBE , ( ich wußte aber, dass die Stangen pieksauber waren ) also das Übliche.
    Na gut, er kam hoch und inspizierte das Führerhaus, in der Hand hatte er ein kleines Hämmerchen und ganz plötzlich zerschlug er das Wasserstandsglas, innerhalb von Sekunden war das Führerhaus voller Dampf und es spritzte heisses Wasser herum.
    Ich mußte also in dieser Situation das Glas wechseln ( eine Sache bei der der Heizer die entsprechenden Griffe unbedingt beherrschen mußte, da man es blind machen mußte, man konnte nichts sehen ) und das Ganze mußte innerhalb von Sekunden passieren. Ich beherrschte das natürlich und der "Vogel" war endlich zufrieden und verließ die Lok ( Übrigens er hatte weisse Handschuhe an, die er mir nocheinmal unter die Nase hielt, ich konnte aber keine Ölspuren erkennen.
    Dann kam endlich der Rangierleiter und wir bekamen Ausfahrt.
    So bis dahin erstmal mein Tagesablauf ( Der Fahrmeister kam GottseiDank natürlich nicht jeden Tag.)
    Nach Dienstschluß kam der Andre Teil der Heizerarbeit, nämlich Ausschlacken, Rauchkammer ausschippen und die Lok wieder fahrfertig für die Ablösung machen.
    Die schönste Zeit auf der Lok war immer. wenn der Meister sagte: Komm Kleener ( er sagte immer Kleener ) fahr du mal, meist passierte es Nachts, wenn es keiner sah.
    Das Schlechte daran war, dass er prompt einschlief und ich pumpen, schippen und Fahren mußte. Allerdings nur im Rangierdienst.


    Eisen der arme Heizer


    Entschuldigung an die, die es schon bei ecsjoco gelesen haben.

  • ..na so ein "Schw.....hund euer Fahrmeister :winking_face:


    Trotzdem Interessant . Das habe ich leider nie erleben können:hu

  • Zitat

    Eisenschwein schrieb:...
    Nach 2 Stunden hatte ich die Lok fertig zum Dienstantritt ...
    ...
    Na gut, er kam hoch und inspizierte das Führerhaus, in der Hand hatte er ein kleines Hämmerchen und ganz plötzlich zerschlug er das Wasserstandsglas, innerhalb von Sekunden war das Führerhaus voller Dampf und es spritzte heisses Wasser herum.
    ...


    Kein Wunder, dass die DDR pleite gegangen ist. :roll
    Zwei Stunden putzen? Die Karre muss rollen!
    (Damals waren, glaube ich, noch 9-10 Stunden Arbeitszeit normal.
    also hat die Lok grad mal max. 7 Stunden, abzüglich Pausen, gearbeitet.)


    Einfach so Sachen zerdeppern? Der Typ gehört gesteinigt.
    Oder war er einer mit dem "richtigen" Parteibuch? :roll

  • @FSP
    bei Abnahme einer frischen Lok frühmorgens aus dem Schuppen war eine Rüstzeit von 2-3 Stunden vorgesehen.
    Der Dienst begann um 3 Uhr, die reguläre Schicht um 6 Uhr als Ablösung der Nachtschicht.
    In diesem Fall betrug die Arbeitszeit 11-12 Stunden.


    Der Fahrmeister war kein Genosse, er war schon über die Rente hinaus und wurde mit Herr und seinem Titel angeredet. Das Zerschlagen des Wasserstandsglases war ein allgemein aber unvorhergesehener Test zur Prüfung der Reaktion des Heizers. Das Zerspringen eines Glases konnte nämlich auch unterwegs passieren und dann mußte schnell gehandelt werden, da der Wasserstand im Kessel nicht mehr überprüft werden konnte und der Führerstand der Lok eine einzige Sauna war.



    Eisen...

  • Auf jeden Fall wars noch n echter Knochenjob. Ein schöner Einblick in den damaligen Alltag, Karlheinz. Danke dafür.


    Darf man fragen, mit wieviel so ein Heizer entlohnt wurde ? Das würde mich mal interessieren.


    Gruß
    Müller

  • Hab ich mir gerne durchgelesen mein Vater wahr Heizer in Polen er hat mir leider nicht viel erzält über diese zeit.

    Danke Eisen.

  • Also Benny, so doll war das nicht. Im Rangierdienst in drei Schichten, natürlich auch Samstag und Sonntag.
    Sowie im Zugdienst, Dienstbeginn zu unterschiedlichen Zeiten, wobei der Dienstschluß eigentlich nie abzusehen war, manchmal über 12-14 Stunden, wobei ich auf manchen Strecken über 10 Tonnen Kohle verfeuert hab. Die Entlohnung betrug etwa knapp 600 DDR Mark mit allen Zuschlägen.
    Manchmal wurde man auch unterwegs abgelöst, das Personal kam als Fahrgast und wir fuhren als Fahrgast nach Hause. Wenn dann 2 dreckige Eisenbahner im Zug saßen, war es ein Dampflokpersonal auf Heimreise.


    @--Steve--
    hab ich gern gemacht, freu mich das es dich interessiert hat. Es kommt noch mehr.


    Eisen...

    Einmal editiert, zuletzt von Eisenschwein ()

  • Zitat

    Die Entlohnung betrug etwa knapp 600 DDR Mark mit allen Zuschlägen


    Oh, da hätte ich jetzt tatsächlich mit mehr gerechnet. Das müßte meinem Gedächtnis nach ungefähr Durchschnittlohn in den 70ern-80ern gewesen sein, oder ? Wenn man das in Relation mit der Arbeit setzt .... Aber es ist ja offensichtlich kein Heizer verhungert. :winking_face:


    Benny


    Edit: Der "Chef" bekam mehr ?


    Nochmal Edit:


    Zitat

    wobei ich auf manchen Strecken über 10 Tonnen Kohle verfeuert hab


    Hallelulja ... da weiß man aber, was man getan hat. Das muß man sich nur mal vorstellen ! :-o (Alleine dabei bekomme ich lahme Arme)

    Einmal editiert, zuletzt von Mueller ()

  • @Benny
    es war in den 60ger Jahren.
    Aber du mußt berechnen, wir haben damals 25 Mark Miete bezahlt und ein Brötchen hat 5 Pfennig gekostet, bzw ein Brot 79 Pfennig. Wir sind nicht verhungert.
    Es gab nur auf einer einzigen Strecke Steinkohle mit Brikett gemischt, nämlich nach Falkenberg, dort fuhren wir mit der BR52 2000 Tonnen Züge, ansonsten im Fahrdienst Brikett und im Rangierdienst Braunkohle.
    Es hat sich schon gelöffelt mit der Schippe von etwa 70 cm Länge.
    Es gab allerdings auch Tricks, die die Sache erleichterten. Auf jeder Lok gab es einen schweren Hammer, nämlich wenn die Kante vorn an der Schippe ein bischen nach oben gebörtelt war, hast du dich tot gemacht und so habe ich bei Dienstbeginn die Schippe vorn grade geklopft bzw, etwas nach unten, so schlüpfte die Kohle fast von alleine drauf. So nun ist es gut, ich rede schon wieder zu viel, aber es fällt einem so nach und nach alles ein:roll


    Eisen...

  • Zitat

    Aber du mußt berechnen, wir haben damals 25 Mark Miete bezahlt und ein Brötchen hat 5 Pfennig gekostet, bzw ein Brot 79 Pfennig. Wir sind nicht verhungert.


    Das ist mir klar. :grinning_squinting_face: Ich bezog das mehr auf den "Durchschnittslohn". Aber in den 60ern war das durchaus über Durchschnitt. :winking_face:


    Zitat

    So nun ist es gut, ich rede schon wieder zu viel


    Ansichtssache. Ich lausche Dir gerne !


    Benny

  • Sehr schöne Schilderung. Ich hab mal mit einem Heizer einer 44er aus Rheine gesprochen - der hatte auch so die eine oder andere Anekdote auf Lager. Und ein Lokführer einer 01.5 beschrieb mir mal sehr anschaulich, wie das war wenn die Kohle mehr Blumenerde als Brennmaterial gewesen ist. Eine Lok heizen und fahren war wirklich kein leichter Job. Aber das was früher mehr körperliche Arbeit war ist heute - so glaube ich - mehr an Stress. Der Job war nie leicht - zu keiner Zeit. Ich hoffe auf weitere Geschichten - von Heizern hört man selter was.
    Gruß Rolf

  • Die körperliche Komponente hat in den meisten Berufen abgenommen.
    Es gibt mehr Schutz vor körperlicher Überlastung.
    Dafür ist der psychische Druck exponentiell gestiegen.

  • Das stimmt, die körperliche Belastung nahm schon zu meiner Lokführerzeit auf der V60 ( BR106 ) ab und die psychische Belastung stieg. Zum Beispiel waren ja auf unseren Dampfloks weder Sifa noch Indusi installiert.
    Es gab auch nur ganz wenige Hauptstrecken wo Indusi installiert war und es gab wohl ein paar 01er bis 03er wo Indusi installiert war, die diese Strecken befuhren. ( Also DDR Bereich )
    Auf der 106 hatten wir dann die Sifa, im Rangierdienst kam es schon vor, dass man es vergessen hat, das Warnblinken hat man auch nicht beachtet, weil der Kopf draußen war, erst beim letzten Warnpiepser hat man schnell draufgetreten oder gedrückt. Um dem Ganzen aus dem Weg zugehen, gab es Lokführer, die machten Folgendes: Man entfernte im Schaltschrank sehr säuberlich die Sicherungsplombe, schaltete die Sifa aus und drapierte die Plombe wieder sauber ran, bei Schichtschluß dann andersrum ( Psssssst). Im Zugdienst natürlich niemals.


    Eisen...

  • Also jetzt zum 2. mal
    Die Überschrift müßte lauten ( REINGEFALLEN )
    Um das Ganze zu verstehen, erst einmal Folgendes.
    Die Rangiermaschinen bekamen nur Braunkohle, ich weiß nicht ob die noch jemand kennt. Da sie wie Papier brannte, war es Usus, das ein Feuerbett aus Schottersteinen reingelegt wurde, damit die Glut etwas gehalten wurde.
    Also wir hatten nachtschicht mit einer BR55, wir waren neben dem Ablaufberg stationiert, um die Wagen in den Richtungsgleisen zusammenzuschieben.
    Was wir auch taten, in einem Gleis waren dem hemmschuhleger alle beide hemmschuhe weggesprungen, der Wagen war aufgelaufen, die Tür war aufgesprungen und Kojhle lag zwischen den Gleisen. ( Wer weniger Kohle verbraucht hat , bekam Prämie )
    Wir geguckt, Mensch Ruhrkohle. Wir zwei Schippen aus aus dem Rangierhäuschen geholt und die Kohle auf den Führerstand geschippt und dann auf den Tender.
    So weit so gut. Ich hab dann auch gleich ausprobiert, wunderbar hat die schöne " Ruhrsteinkohle " gebrannt. Nur ein zwei Schippen und es ging ab.
    das ging so ein zwei Stunden prima, dann brannte das Feuer irgendwie nicht mehr richtig. hab dann den Bläser aufgedreht, aber denkste.
    Wollte dann mit der Kratze das Feuerbett auflockern, ging nicht.
    hab dann den Ausschlackrost runtergedreht um Schlacke rauszuschmeißen, kam aber nicht durch.
    Diese kohle hatte eine dermaßen Hitze entwickelt, dass sich die Schlacke mit den Schottersteinen zu einer Gummiartigen Masse verschmolzen hat.
    Ergo, der Dampf wurde immer weniger und wir mußten zu guterletzt auf ein Abstellgleis und eine Reservelok nehmen.
    Unsere Lok blieb solange stehen, bis sie kalt war und die Masse hart war.
    da mann aber immernoch nicht zwischen Rost und Schlacke kam, da sich das Zeug in den feuerrostrillen festgesetzt hatte, mußten wir rein und mit Hämmern das Ganze rausklopfen, es splitterte übrigens wie Glas. Mein meister war zu dick um durch die Feuertür zu kommen ( Glück gehabt )
    Das Ende der Geschichte war, das wir beide eine Verwarnung bekommen haben, aber schlimmer war noch die Aussage des Arbeiters an den Kohlebansen, er sagte " Ihr Blödmänner, dass war zwar Ruhrkohle, aber keine Steinkohle sondern Anthrazit
    Eisen der arme Heizer

  • Tolle Geschichten die du da erzählst, vielen Dank.
    Wir hatten bei uns früher viele Antrazhit-Zechen, es waren aber mehr Steinkohle-Zechen.

  • @ Ruhrgebiet
    danke dass du dir das mal angeschaut hast.:-)
    Ich würde sagen, es ist zwar "Geschichte" zeitlich gesehen, aber es sind keine "Geschichten", sondern Erlebnisberichte.;-)


    Eisen...

    Einmal editiert, zuletzt von Eisenschwein ()

  • leider durfte ich solche Erlebnisse nie haben, denn <1993 gab es keine Dampfloks mehr, und die Deutsche Reichsbahn auch nicht.

  • Zitat

    Ruhrgebiet schrieb:
    denn <1993 gab es keine Dampfloks mehr,



    naklar , "Spielemax" hat heute noch eine beachtliche Auswahl :grinning_squinting_face::grinning_squinting_face::grinning_squinting_face:
    Eine LOK kostet mittlerweile ein DDR-Gehalt von der Zahl her , aber immerhin lol

  • @Ruhrgebiet
    Also es ist sicher kein Ersatz und ich kann mich selbst auch nur nur schwach an Dampfloks in meiner Kindheit auf der Moselstrecke (viele 44er / 43er) erinnern aber es gibt grade im Ruhrgebiet einige Eisenbahnmuseen und "Events", wo man die verschiedensten Stahlrösser auch heute noch zu Gesicht bekommt - sogar unter Dampf. Brückenfest, Osnabrück, Museumstage in Dahlhausen, Dieringhausen, "Rund um Köln" und vieles vieles mehr. Zuletzt war ich mit der 01 1066 in Amsterdam und die 01 118 hab ich in Königswinter ausführlich erlebt... und so lang es Leute gibt, die sich dafür engagieren, wird es auch weiterhin solche Gelegenheiten geben. Wollstein, Staßfurt, Siegen ... ich könnt hier noch zig Events anfügen... Jeder kann "sein" Teil dazu bei tragen.. z.B. in dem man als Zeitzeuge davon berichtet oder nen Euro ins Museumssparschwein wirft - oder einfach nur Interesse zeigt. Meine Meinung dazu..


    Anmerkung: Du wirst deinen Kindern vielleicht mal wehmütig von den guten alten 110ern erzählen, die langsam aber sicher aus dem Verkehr gezogen werden , Knallfrösche und Bügelfalten sieht man auch so gut wie nicht mehr.. so hat jede Generation "ihren" Abschied von der Bahn...

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